Objekt des Monats Oktober 2024
Kaffeesurrogat-Dose "Diller Essenz" aus Fladungen
- Inventarnummer: 12/96/67
- Kaffeesurrogat-Dose "Diller Essenz", 1. Viertel 20. Jahrhundert
- Herkunft: Fladungen (Landkreis Rhön-Grabfeld)
- Material: Weißblech, verzinkt, gebördelt, farbig bedruckt
- Maße: 21,5 cm (Länge) x 14 cm (Breite) x 10 cm (Höhe)
Kaffee kam im 17. Jahrhundert nach Europa. Bis in die Nachkriegszeit blieb echter Bohnenkaffee teuer. Er wurde deshalb mit Zichorie, Getreide oder Feigen – sogenannten Surrogaten – gestreckt.
Unser Objekt des Monats Oktober steht stellvertretend für die Produktvielfalt dieser Ersatzstoffe, die von vielen Herstellern produziert wurden: Eine Kaffeesurrogat-Dose "Diller Essenz", die in einem Fladunger Haushalt verwendet wurde.
Die schlichte rechteckige silberfarbene Dose mit einem nach hinten zu öffnendem Deckel besteht aus verzinktem und bedrucktem Weißblech, das an den Rändern zusätzlich gebördelt ist. Altersbedingt weist sie stärkere Korrosionspuren auf.
Die Deckeloberseite zeigt ein Wappen. Auf schwarzem Grund rahmen oben und unten Spruchbänder mit dem Herstellernamen "Pfeiffer und Diller" und der Ortsangabe "Horchheim bei Worms" zwei stehende Löwen ein. Die Raubtiere halten ein Schild, auf dem sich die Initialen "P" und "D" der Fabrikbesitzer August Pfeiffer und Julius Diller, sowie darunter die Jahreszahl 1873 befinden, jeweils spiegelbildlich in rot und blau hinterlegt.
Auf der Frontseite und an den Seiten der Dose sind in blauer Schrift, eingerahmt von einem Zierbandelwerk, die Produktbezeichnung "Diller Essenz" und die Herstellerangaben zu lesen.
Der Kaffeezusatz unterschied sich von anderen Surrogaten in seiner Rezeptur: Ein Hauptbestandteil war Melasse, ein dunkelbrauner zäher Sirup, der bei der Produktion von Zucker anfällt. Dadurch eignete sich die Essenz besonders gut zur Geschmacksverbesserung von minderwertigen Kaffeesorten, um das Getränk vollmundiger zu machen und störende Aromen zu egalisieren. Auch allein verwendet gab die Essenz ein dem Bohnenkaffee sehr ähnliches Heißgetränk. Allgemein weithin bekannt unter dem Namen "Muckefuck", abgeleitet vom französischen mocca faux, für "falscher Kaffee".
Seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde Zichorienkaffee im großen Stil industriell hergestellt. Die Wurzelzichorie, eine Verwandte der Gemeinen Wegwarte, eignete sich geröstet und zerkleinert wegen ihres leicht bitteren Geschmacks besonders gut als Kaffeeersatz. Bekannte Hersteller waren die beiden großen Firmen Heinrich Franck Söhne in Ludwigsburg und Kathreiner in München, die letztendlich 1944 fusionierten.
Ein weiterer Produzent, der seine Produkte erfolgreich national und international vertrieb war die Firma "Pfeiffer & Diller – Cichorien, Kaffee-Essenz und Surrogat-Fabriken" in Horchheim, heute ein Stadtteil von Worms am Rhein. Das Unternehmen war 1875 übernommen worden und stellte seitdem Zichorien-Ersatzkaffe und ab 1884, die berühmt gewordene Kaffeezusatz-Essenz her. Diese wurde 1893 sogar auf der Weltausstellung in Chicago prämiert. Die Essenz in Pulverform wurde in rechteckigen oder zylindrischen Blechdosen zum Verkauf angeboten. Schon früh avancierte sie zu einem Markenprodukt, das entsprechend beworben und vertrieben wurde.
Sammler von Reklamebildern und Reklamemarken kennen die Firma durch ihre ansprechenden Serien und Sammelalben. Außerdem schuf man als Warenzeichen eine Figur, den sogenannten "Kaffee-Onkel" mit blauem Hausmantel, Pfeife und Hausmütze, der für ein solides, Vertrauen erweckendes und zugleich sparsames Produkt stand.
Der Erste Weltkrieg führte zu Produktionseinschränkungen bei allen Produzenten von Kaffeeersatz. Im Jahr 1916 übernahm die Firma Heinrich Franck Söhne GmbH den Mitbewerber und produzierte fortan unter dem gleichen Namen weiter. Nach Kriegsschäden konnte 1945 die Produktion wieder aufgenommen werden.
Doch das Konsumverhalten der Verbraucher hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend verändert, die Zeit der Surrogate war vorüber. Echter Bohnenkaffee wurde für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich. 1952 wurde die Produktion von Diller-Essenz eingestellt. Heute jedoch erfreuen sich Getreide- und Zichorienkaffees einer neuen Popularität. Sie sind koffeinfrei und werden häufig aus regionalen Rohstoffen erzeugt.
Eine weitere Kaffee-Surrogat-Dose aus den Sammlungsbeständen des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen mit einem interessanten Italienmotiv aus den 1950er Jahren war vom 23. Juli bis 3. November 2024 im Rahmen des Tauschprojekts "Kunst geht fremd … und kommt an" im Heimatmuseum Ebern zu sehen.