Unsere Sammlung
Regionale Geschichte in Dingen
Das Fränkische Freilandmuseum Fladungen besitzt mit über 40.000 Objekten eine sehr umfangreiche historische Sachgutsammlung der Region. Sie spiegelt im Wesentlichen die Zeit der letzten 200 Jahre wider. In den Depots finden sich Möbel, Hausrat, Haushaltsgegenstände, landwirtschaftliche Geräte, Maschinen, Werkzeuge und vieles mehr. Die Sammlung ist der zentrale Ausgangspunkt unserer Museumsarbeit: Sie ist Wissensspeicher für kommende Generationen und dient der Forschung sowie der musealen Vermittlung. Grundlage bilden die von ICOM und dem Deutschen Museumsbund definierten Standards.
Objekt des Monats - Museumsschätze entdecken
Monat für Monat stellen wir hier ein außergewöhnliches Objekt aus unserer Sammlung vor.
Im Depot des Freilandmuseums befinden sich viele Objekte, die nicht oder nur selten in Dauer- oder Sonderausstellungen gezeigt werden können. Online können Sie nun eine Auswahl an verborgenen Museumsschätzen und ihre Geschichten entdecken.
Objekt des Monats November 2024: Lichtstubenordnung aus Nordheim v. d. Rhön
- Inventarnummer 35121
- Lichtstubenordnung: Hausgesetze der Lichtstube „Sorgenlos“, Mitte 20. Jahrhundert
- Herkunft: Privatbesitz, Nordheim v. d. Rhön (Lkr. Rhön-Grabfeld)
- Material: Pappe; geschnitten, geklammert, beschriftet, bemalt
- Maße: 48 cm (Länge) x 34 cm (Breite); 38,5 cm (Länge) x 22 cm (Breite)
Wenn ab Herbst die Tage kürzer und die Nächte länger werden, die Arbeiten außerhalb des Hauses ruhten und das Wetter kalt wurde, zog sich die Landbevölkerung in die geheizte Stube, den Mittelpunkt des Hauses zurück.
Um die langen Abende nicht alleine zu verbringen, verband man das Angenehme mit dem Nützlichen: Es entstanden sogenannte „Lichtstuben“, regional auch „Spinn-“, „Rocken-“ oder „Kunkelstuben“ genannt, die seit dem 15. Jahrhundert bekannt sind.
Von Martini, 11. November, bis Lichtmess, 2. Februar, trafen sich die gleichaltrigen ledigen jungen Frauen zu gemeinsamen Handarbeiten wie Spinnen, Sticken oder Nähen; auch für die eigene Aussteuer. Später am Abend kamen die Burschen hinzu.
Gemeinsam musizierte man, sang Lieder, erzählte Geschichten oder trieb ein wenig Unfug. Nach der Lichtstube begleiteten die jungen Männer die Mädchen nach Hause. Viele Jugendliche lernten sich so erstmals näher kennen und spätere Eheschließungen bahnten sich an.
Das gesellige Zusammensein beider Geschlechter alarmierte vor allem die geistliche, aber auch die weltliche Obrigkeit. Mit sogenannten „Lichtstubenordnungen“, Regelungen bezüglich der Art und Dauer der Zusammenkunft, versuchte man das „unsittliche“ Treiben in den Griff zu bekommen.
Ein Exemplar solch einer modernen Lichtstubenordnung aus dem 20. Jahrhundert befindet sich in der Sammlung des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen. Dabei handelt es sich um die "Hausgesetze der Lichtstube 'Sorgenlos'" aus Nordheim v. d. Rhön.
Auf einer hochrechteckigen, gelbgrundigen Pappe, die mittig mit einem Bindfaden an der Wand befestigt werden konnte, sind die zehn Grundsätze handschriftlich niedergeschrieben. Die Anfangsbuchstaben der Absätze wurden in roter Schriftfarbe zusätzlich hervorgehoben.
Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die ursprünglichen Lichtstubenregeln durch eine mit Metallklammern fixierte neue Fassung verdeckt werden und unlesbar sind.
Eine in schwarz, rot und grün gehaltene Federzeichnung ziert die linke Seite. Sie zeigt einen geschmückten Baum, der an einen Maibaum erinnert. Um den Stamm schlängelt sich eine Blumengirlande. Oben hängt ein Blumenkranz mit farbigen wehenden Bändern. Ein Herz, das von einem Pfeil durchbohrt wird, bildet den Abschluss. Ein Symbol der Liebe.
Die Namensgebung der Lichtstube nimmt Bezug auf die gemeinsame Zeit, in der man von den Nöten und Problemen des Alltags Abstand nehmen konnte. Das betont der erste Grundsatz nochmals eindrücklich. Zusammengefasst wirken die Punkte der Ordnung auf den heutigen Leser aus der Zeit gefallen, galten damals aber als tugendhaft.
Nur so war es der Landjugend möglich, Zeit mit dem anderen Geschlecht zu verbringen. Häufig wachte eine aufmerksame „Lichtstubenmutter“ über die Einhaltung der Ordnung, die in ihre Stube eingeladen hatte.
Verschwiegenheit spielte eine große Rolle, ausdrücklich geregelt unter Punkt drittens. Was in der Lichtstube geschah, sollte nicht nach außen dringen. Man verstand sich als eine kleine exklusive Gruppe innerhalb der Dorfgemeinschaft.
Im Landkreis Rhön-Grabfeld haben sich Lichtstuben bis in die frühen 1960er Jahre erhalten. Danach verschwanden sie im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels. In der Gegenwart werden Lichtstuben, auch in Unterfranken, wiederbelebt. Geblieben ist lediglich der Name. In heutigen Lichtstuben werden meist keine Ehen mehr angebahnt, sondern die Geselligkeit bei gemeinsamen Handarbeiten steht im Vordergrund.