Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats Januar 2021

Griffelkästchen

  • Inventarnummern: 33487, 33488
  • Herkunft: Erika Jung, Stetten (Landkreis Rhön-Grabfeld)
  • Behältnisse zum Aufbewahren von Schreibutensilien, Hartholz, mit verschiebbaren Deckeln verschließbar, Schnitzverzierungen, Inhalt: Schreibfedern (Stahl, Messing) und Federhalter

Diese zwei Kästchen sind 23 cm bis 24 cm lang, etwa 6 cm breit und 2,5 cm bzw. 6 cm hoch und aus Hartholz gefertigt. Den beiden Kästchen ist eine umfangreiche Benutzung anzusehen. Auf einem Deckel ist der Name „Erika Jung“ eingeschnitzt und mit geschnitzten Eichenblättern verziert, deren Blattstiele den Namen einrahmen. An einer Seite des Deckels ist eine kleine Stelle abgeflacht, um das Aufschieben zu erleichtern. Der Deckel des anderen Kästchens ist deutlich einfacher gestaltet. Nur zwei schmale Zierrillen und eine runde Griffmulde sind in das Holz geschnitzt. Unter den aufschiebbaren Deckelplatten befinden sich jeweils unterschiedlich große Fächer.

Die Griffelkästchen waren im Besitz von zwei Familiengenerationen. Der Mutter gehörte das schlichtere Kästchen (um 1910), die Tochter bekam ihr mit Namen und Blattmotiv verziertes Kästchen zur Einschulung 1943 in Suhl, wo einigen ihrer Mitschüler:innen ähnliche Kästchen geschenkt wurden. Noch vor dem Bau der Berliner Mauer verließ die Tochter Thüringen und wohnte lange Zeit in Niedersachsen, bis sie schließlich in die Rhön zog. Diese zwei Kästchen hatten somit eine vielgestaltige Geschichte mit drei politischen Systemwechseln hinter sich, bevor sie ihren Weg ins Museum fanden.

Schreiben lernen ist ein zentraler Bestandteil der Schulbildung, die dafür verwendeten Hilfsmittel unterlagen aber vor allem im 20. Jahrhundert einem ständigen Wandel. In diesen zwei Kästchen wurden ursprünglich höchstwahrscheinlich Schiefergriffel aufbewahrt, im Laufe der Schulzeit wurden die Kästchen dann umfunktioniert und dienten nun zur Aufbewahrung von Metallfedern und Federhaltern, wie auch an den zahlreichen Tintenflecken erkennbar wird. In den ersten Schuljahren nutzten die Schüler:innen bis in die 1960er Jahre hinein Schiefergriffel, mit denen auf Schiefertafeln geschrieben wurde. Die Griffel waren billig und das Geschriebene konnte einfach mit einem Schwamm weggewischt werden. Die älteren Schüler:innen verwendeten zum Schreiben auf Papier lange Zeit Stahlfedern mit Federhaltern und Tintenfässchen, bevor sich Füllfederhalter ab den 1950ern langsam durchsetzten. Moderne Füllfederhalter und Kugelschreiber, wie sie heute von vielen verwendet werden, sind praktisch und einfach in der Handhabung. Was die nachhaltige Nutzung von Rohstoffen angeht, waren Griffel und einfache Stahlfedern dem Kugelschreiber und dem Füllfederhalter aber um einiges voraus.