Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats Februar 2022

Hyazinthenglas

  • Inventarnummer: 742
  • Farbglas, grün, mundgeblasen, 2. Hälfte 19. Jahrhundert
  • Herkunft: Elisabetha-Spital, Bad Königshofen (Lk. Rhön-Grabfeld)
  • Maße: 20 cm (Höhe) x 9,2 cm (Durchmesser)

Wenn im Winter die Natur ruht, sind farbenfrohe Blumen ein willkommener Raumschmuck im Haus. Hyazinthen, Tulpen und Narzissen zählen zu den Zwiebelpflanzen, die seit dem 16. Jahrhundert aus Asien Einzug in die europäischen Gärten hielten. Sie alle lassen sich gut vortreiben und machen mit ihren Blüten Lust auf das Frühjahr. Von der einstigen Popularität der „Zwiebeltreiberei“ zeugt dieses gut erhaltene Hyazinthenglas, das bereits 1989 in die Sammlung des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen kam. Es stammte aus dem Elisabetha-Spital, einem Alten- und Pflegeheim, in Bad Königshofen (Lk. Rhön Grabfeld).

Das Pflanzgefäß aus grün gefärbtem Glas ist mundgeblasen unter Verwendung einer Form. Kleine Lufteinschlüsse und eine eingedrückte Rosette am Boden geben Aufschluss über den Herstellungszeitraum, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt. Der konische Korpus zeigt eine gerippte Wandung. Der obere Rand ist 12-fach gelippt ausgebildet und weitet sich deutlich. Der verengte Hals gibt der Hyazinthen-Zwiebel einen sicheren Halt oberhalb des Wassersspiegels. So ist sie vor Fäulnis geschützt. Die Rippen ermöglichen eine stetige Wasserverdunstung. Das üppige Wurzelwachstum der Hyazinthe lässt sich durch das dünnwandige Glas sehr gut beobachten.Mit der Anzucht begann man zwischen Oktober und Dezember. Die Pflanzen mögen es zunächst dunkel und kühl. Der Zwischenraum eines Doppelfensters bot deshalb ein ideales Klima. Zusätzlich deckte man die ersten Triebe mit Papierhütchen als Lichtschutz ab. Im Verlauf von sechs bis acht Wochen treibt die Pflanze eine Traube glockenförmiger Blüten in Weiß, Violett oder Rosa aus.

Die früheste Abbildung eines Hyazinthenglases ist für das Jahr 1731 belegt.Johann August Grotjan beschrieb in seinem 1750 erschienenen wissenschaftlichen Werk „Physikalische Winter-Belustigung mit Hyazinthen, Jonquillen, Tazzeten, Tullipanen, Nelken und Levcojen“ erstmalig detailliert das Wassertreiben von Blumenzwiebeln und die dazu verwendeten Gefäße. In der Folgezeit erreichte die „Hyazinthen-Begeisterung“ ihren Höhepunkt an den Fürstenhäusern und in der wohlhabenden Oberschicht. Eine große Bandbreite an Hyazinthengläsern entwickelte sich. Farben, Formen und Dekore wurden dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend angepasst. Die aufwändig hergestellten Gläser blieben aber zunächst ein Luxusgegenstand. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde industriell hergestelltes Glas kostengünstiger und für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich. Bis ins 20. Jahrhundert entstanden neue, moderne Glas-Designs, wie z. B. von Wilhelm Wagenfeld 1936 für die „Vereinigten Lausitzer Glaswerke“. In den 1950er und 1960er Jahren kamen schließlich Kunststoffgläser hinzu. Heute praktizieren nur noch wenige Pflanzenliebhaber die Wassertreiberei von Zwiebeln. Beheizte Gewächshäuser und ein global vernetzter Handel, ermöglichen es jederzeit die unterschiedlichsten Blumen aus aller Welt zu erwerben. Allerdings finden die formschönen Hyazinthengläser noch Verwendung als Blumenvasen, deren ursprüngliche Funktion ihren Besitzer*innen häufig unbekannt ist.