Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats November 2022

Tisch-Petroleumlampe

  • Inventarnummer: 35132
  • Petroleumlampe, zwischen 1880 und 1900
  • Herkunft: Landkreis Main-Spessart
  • Material: Zinkguss, Messing, Glas, Baumwolle; gegossen, formgeblasen, gewebt
  • Maße: 52,5 cm (Höhe maximal) x 25 cm (Durchmesser maximal)

Mit der Uhrumstellung am letzten Oktoberwochenende wird es uns wieder besonders bewusst: Die Tage werden bis zur Wintersonnenwende am 21. Dezember deutlich kürzer. Im Durchschnitt ist es nur noch gut acht Stunden täglich hell. Doch heutzutage ist die Dunkelheit für uns überhaupt kein Problem. Wir knipsen einfach den Lichtschalter an und schon sind Zimmer und Räume erleuchtet.

Doch das war vor gut 100 Jahren noch grundlegend anders. Welche Beleuchtungsmöglichkeiten hatten die Menschen in der Rhön vor der Einführung der Elektrizität? Eine Antwort darauf gibt unser neues Objekt des Monats: eine Tisch-Petroleumlampe. Sie kam 2021 in die Museumsbestände und stammt von einem Arzt aus dem Altlandkreis Marktheidenfeld.

Die repräsentative Lampe im Zeitgeschmack des ausgehenden 19. Jahrhunderts besteht aus einem Metallfuß gefertigt aus Zinkguss mit Kupferüberzug, einem eingesetzten Brenner, einem Glaszylinder und einem Milchglasschirm. Vom Typus erinnert das Lampenunterteil an einen Kelch, wie er auch in der Kirche für die Liturgie Verwendung findet. Der ausladende Fuß mit runder Grundfläche zeigt florale Zierelemente, es folgt ein kurzer Schaft, der mittig deutlich gewulstet ist. Darauf ruht die sogenannte „Kuppa“, die an den Außenseiten die floralen Motive des Fußes aufgreift und hier an einen Schmetterling in der Formensprache des Jugendstils erinnert. Darin eingesetzt ist ein gläserner Vorratsbehälter für den Brennstoff, auf den der eigentliche Brenner mit einem Gewinde aufgeschraubt ist. Am Rand des Behälters finden sich noch unleserliche Beschriftungsspuren in schwarzer Tinte, die wohl Hinweise auf den Ölstand oder dessen Zusammensetzung gaben. Insgesamt ist die Lampe gut erhalten, die Metalloberflächen sind teilweise stärker berieben und oxidiert.

Das Herzstück der Lampe bildet ein sogenannter „Kosmosbrenner“, ein von der Berliner Firma Wild & Wessel entwickelter Rundbrenner. Er verfügt seitlich über ein Dochtrad mit einem Zahnradmechanismus. Es sorgt dafür, dass der Docht höhenverstellbar ist und nach dem Abbrennen nachgeschoben werden kann. Ein auf dem Brenner sitzender schmaler abnehmbarer Glaszylinder reguliert die Luftzufuhr. Interessanterweise befindet sich auf dem Kosmosbrenner ein für ihn untypischer „Matador-Zylinder“. Dieser zeichnete sich durch einen „Bauch“ am unteren Ende aus. Wahrscheinlich wurde das originale Glas später einmal ersetzt. Auf dem mit drei Armen am Brenner befestigten Schirmreif ruht ein großer Lampenschirm aus weißem Milchglas, der am oberen Ende konvex gewölbt ist. Er dimmt das grelle Petroleumlicht und sorgt für eine angenehme Lichtstimmung im Raum.

Die Erfindung der Petroleumlampe war ein Meilenstein in der Geschichte der Beleuchtungsmittel. Öl- und Talglichter, die mit pflanzlichen Ölen oder tierischen Fetten befüllt waren, gelten als die ältesten Lichtquellen. Diese rußten allerdings sehr stark und verbreiteten einen strengen Geruch. Kostengünstig selbst herzustellen, insbesondere in waldreichen Regionen, waren Kienspäne aus harzhaltigem Holz. Nachteilig war das sehr schnelle Abbrennen der Späne und die hohe Brandgefahr, die von herabfallender Glut ausging. Kerzen aus Bienenwachs waren Luxusprodukte und vor allem der Kirche vorbehalten. Anfang des 19. Jahrhundert entdeckten Chemiker dann Stearin und Paraffin, zwei neue Rohstoffe zur Massenproduktion von Kerzen. Mit den Fortschritten der Erdöldestillation zur Mitte des 19. Jahrhunderts und den vorausgegangenen Erfindungen des Lampenzylinders, des Runddochts sowie des Rundbrenners war die Neuentwicklung der Petroleumlampe schließlich möglich. Sie verdrängte ab 1856 in Deutschland, Europa und den USA kontinuierlich Kerzen und Öllampen aus den Stuben. Das raffinierte Öl roch nur wenig und die neue Lampe entwickelte eine hohe Leuchtkraft. Erstmals war der Betrieb einer Lichtquelle von bis zu 20 Stunden ohne Unterbrechung möglich.

Mit der Weiterentwicklung der Kohlenfadenlampe durch Thomas Alvar Edison zum Ende der 1870er Jahre begann letztlich das Zeitalter des elektrischen Lichts. Doch um 1900 war vor allem im ländlichen Raum noch nicht an Glühlampen zu denken. Viele Dörfer der Rhön erhielten erst ab den 1920er Jahren durch das Überlandwerk einen Stromanschluss. Bis dahin bewährten sich Petroleumlampen – egal ob als Laterne, Tisch- oder Deckenlampe.

Nach der Elektrifizierung verschwanden sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs allerdings fast gänzlich aus den Haushalten. Ein Beispiel dafür, wie eine lange gebräuchliche Technik durch eine Innovation dauerhaft verdrängt wurde. Das gleiche Schicksal ereilte in den letzten Jahren auch die Glühfadenlampe, die mittlerweile fast vollständig von LEDs abgelöst wurde.