Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats September 2022

Schultüten aus Gaubüttelbrunn

  • Inventarnummer: 7424, 7434
  • Schultüten, auch „Zuckertüten“ genannt, 1960er Jahre
  • Herkunft: Privatbesitz, Gaubüttelbrunn (Lkr. Würzburg)
  • Material: Karton, Papier; bedruckt, geprägt
  • Maße: 59 cm (Länge)x 17 cm (Durchmesser maximal)

Für viele ABC-Schützen beginnt bald der „Ernst des Lebens“: Die Schule startet und damit auch ein neuer Lebensabschnitt. Doch so ernst ist die Schulzeit meist gar nicht. Im Gegenteil, sie weckt die Begeisterung am Lernen, Wissbegierde und jungen Entdeckergeist. Häufig überwiegt die Freude über die Einschulung, denn endlich ist man kein Kindergartenkind mehr, sondern gehört zu den Großen und lernt lesen, schreiben und rechnen.

Vor allem die Vorfreude auf eine Sache ist besonders groß: die Schultüte. Im besten Fall ist sie größer als der Erstklässler und randgefüllt mit leckeren Süßigkeiten, neuen Spielzeugen, aber auch praktischen Dingen, wie Mäppchen, Stifte und Lineal. Dazu glitzernd und bunt verziert mit Prinzessinnen, Feen, Pferden oder Rittern, Piraten und Autos. 

Passend zum Schulanfang in Bayern sind deshalb zwei Zuckertüten unser Objekt des Monats September. Sie bestehen aus einem kegelförmig aufgerollten rot- bzw. blaugrundigem Glanzkarton, der zusätzlich mit einem weißen rautenförmigen Muster bedruckt ist.  Der obere Rand und die Kegelspitze sind zusätzlich mit goldenem Prägepapier beklebt. Mittig ziert ein Glanzbild jede Tüte. Es zeigt jeweils einen Jungen und ein Mädchen auf einer Bank sitzend. Die beiden Kinder schauen in ein Bilderbuch oder in eine Landschaft. Diese naiv wirkenden Kindermotive waren seit den 1930er Jahren auf Oblaten sehr beliebt. Die Innenseiten der Zuckertüten sind bis zur Hälfte mit gelbem Krepppapier versehen, das über das Tütenende hinaussteht und mit einem Band verschlossen werden kann. So ist der Inhalt nicht sofort zu erkennen.

Die präsentierten Zuckertüten entstanden in den 1960er Jahren. Die Kegelrohlinge wurden industriell gefertigt. Kleine Ungenauigkeiten beim Ausschneiden und Kleben der Bilder und Papiere deuten darauf hin, dass sie später eventuell in Heimarbeit fertiggestellt wurden. Zum Verkauf standen sie letztlich in einem Lebensmittelgeschäft in Gaubüttelbrunn (Lkr. Würzburg). Nach der Schließung und Auflösung des Ladens kamen die beiden Schultüten 1994 zusammen mit weiteren Exemplaren in die Fladunger Museumsbestände.

Der Brauch, eine Schultüte zum Schulanfang zu überreichen, ist noch relativ jung. Früheste Belege einer „Zuggodühde“, also einer Zuckertüte, datieren ins ausgehende 18. und frühe 19. Jahrhundert. Von Sachsen und Thüringen aus verbreitete sich der Brauch allmählich. Zunächst beschenkten reiche Eltern des gehobenen städtischen Bürgertums ihre Kinder mit Schultüten, besonders in den protestantisch geprägten Regionen Deutschlands. Das Präsent verdeutlichte die Wertschätzung des Schulbesuchs und war somit auch ein Statussymbol. Mit dem Beginn der industriellen Schultütenproduktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Sachsen erfasste der Brauch immer mehr deutsche Regionen. Trotzdem erhielt auf dem Land, bis in die 1960er Jahre, nicht jedes Kind eine Zuckertüte. Dort wurde der Schulbesuch teilweise immer noch als überflüssig angesehen, weswegen ihn die Eltern auch nicht honorierten. Statt zur Schule zu gehen mussten die Kinder in der Regel bei den anfallenden Arbeiten auf Hof und Acker mithelfen. Und für manche Familien war eine Schultüte schlichtweg zu teuer.

Auch der Inhalt der Zuckertüte unterschied sich vom heutigen. Wie der Name vermuten lässt, waren auch damals süße Leckereien darin verpackt. Aber anstelle von Schokolade und Bonbons enthielt sie Kekse, Gebäck, Konfekt, Obst oder sogar Gemüse. Besonders nach den beiden Weltkriegen waren die Schultüten oft nur spärlich bestückt. Um mehr Fülle vorzutäuschen, stopften die Eltern den unteren Teil mit Holzwolle, Zeitungspapier oder Kartoffeln aus. Heute sind Schultüten in ganz Deutschland untrennbar mit der Einschulung verbunden.

 Wir wünschen allen ABC-Schützen einen guten Schulstart, viel Freude am Lernen und natürlich eine prall gefüllte Zuckertüte!