Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats April 2023

Eiersortierwaage der Firma Hartner

  • Inventarnummer: 16493
  • Eiersortierwaage, um 1958
  • Herkunft: Region Rhön-Grabfeld
  • Material: Aluminium, Eisen, Papier; gegossen, geschraubt, verchromt, bedruckt
  • Maße: 21,5 cm (Länge maximal) x 10,9 cm (Breite maximal) x 28,2 cm (Höhe maximal)

Über die Osterfeiertage finden viele bunte Hühnereier ihren Weg in die Nester. Ob zu Hause selbst gefärbt oder schon fertig im Supermarkt gekauft, sorgen sie für Freude bei Klein und Groß. Was beim Kauf der Hühnereier schnell außer Acht gerät, ist, dass sie europaweit einheitlich nach Gewichtsklasse sortiert werden. Das heißt, es erfolgt eine Einteilung in die vier Kategorien XL (über 73 Gramm), L (63-73 Gramm), M (53-63 Gramm) und S (unter 53 Gramm).

Heutzutage übernehmen große vollautomatische Eiersortiermaschinen diese Aufgabe. Früher war die Arbeit sehr viel aufwändiger. Jedes Hühnerei musste händisch abgewogen werden. Wie das funktionierte, zeigt unser neues Objekt des Monats: eine Eiersortierwaage der Firma Gustav Hartner aus Ebingen.

Die Waage besitzt ein hochwertig gearbeitetes Gehäuse aus goldfarben lackiertem Aluminium mit einer breiteren Grundplatte. Auf der Oberseite der Grundplatte befindet sich eine kleine runde Libelle, wie bei einer Wasserwaage, zum Nivellieren sowie eine Marke mit Eichkennzeichen. Es zeigt die Aufsichtsbehörde, den Aufsichtsbezirk und das Eichjahr an. Zwischen Libelle und Marke sichert normalerweise ein verplombter Draht eine Schraube am Gehäuse. Dieser ist gerissen, die Plombe fehlt. An der Unterseite der Grundplatte sind vorne zwei höhenverstellbare Füße angebracht, rückseitig ein festsitzender Eisenstift. Mithilfe einer roten Stellschraube kann zusätzlich eine Transportsicherung aktiviert werden.

An der Vorderseite des Gehäuses ist mittig das dreieckige mit einem roten Stern verzierte Herstellerschild angebracht. Darunter befindet sich, hinter einer Glasscheibe, die farbig bedruckte Gewichtsskala mit einem rot markierten Zeiger. Sie zeigt die historischen Gewichtsklassen nach der Skala von Philipp Jakob Maul von rechts nach links ansteigend an: „klein, D, C, B, A und S“. Wobei die Klasse „S“ mit Eiern ab einem Gewicht von 65 Gramm die schwerste war. Eine weitere Skala von 40 bis 75 Gramm gibt das tatsächliche Gewicht des Eis in der jeweiligen Klasse an. In die Oberseite des Gehäuses ist ein 50 Gramm schweres Justiergewicht eingelassen. Daneben sitzt ein verchromter Eierbecher, der den Wiegemechanismus der Neigungswaage auslöst. Durch das Einsetzen des Eis in den Becher wird der Hebelarm in Bewegung versetzt und schlägt aus. Dem Neigungswinkel entsprechend, kann das zu messende Gewicht mit Hilfe des Zeigers auf der Skala abgelesen werden. Die Farbskala erleichtert außerdem den Sortiervorgang. Eine Besonderheit ist eine magnetische Dämpfung, die die Waage zügig anhält und damit die Wiegezeit wesentlich verkürzt.

Ein interessantes Detail verrät das Fabrikschild an der rechten Gehäuseseite. Dort ist die Seriennummer 58380 eingeschlagen. Unterhalb findet sich auch die Zulassungsnummer 302p. Dabei steht das „p“ für „probeweise Zulassung“. Die Waage kam also als eines der ersten Modelle auf den Markt. Endgültig unter der Nummer 302 zugelassene Eiersortierwaagen wurden bis etwa 1980 gefertigt. Die Eichmarke lässt außerdem Rückschlüsse auf eine kurze Nutzung des Geräts zu: Das Fladunger Exemplar wurde lediglich 1958 geeicht, weitere Belege fehlen.

Die Geschichte der Hartner GmbH datiert zurück ins Jahr 1879. Ferdinand Rehfuß gründete in Ebingen (Lkr. Zollernalbkreis) einen Betrieb zur Herstellung von Präzisionswaagen und Gewichten. 14 Jahre später übernahm Gustav Hartner die Firma. Er gab dem Unternehmen seinen Namen und erweiterte 1911 das Produktprogramm um Spiralbohrer. Im Laufe der Jahre verloren die manuellen Präzisionswaagen an Bedeutung, die Firma Hartner spezialisierte sich zunehmend auf die Produktion von Bohr- und Fräswerkzeugen.

Als der Bau der Eiersortierwaage 302 um 1980 eingestellt wurde, lösten elektronische Waagen ihr mechanisches Pendant zunehmend ab. Die händische Eiersortierung wurde schrittweise voll automatisiert und die Waagen damit von den Höfen und aus den Betrieben verdrängt. Dennoch dokumentiert die Eiersortierwaage der Firma Hartner heute einen interessanten und wichtigen Aspekt der Technikgeschichte.