Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats Juli 2023

Beerenkamm aus Oberweißenbrunn

  • Inventarnummer: 6039
  • Beerenkamm, erste Hälfte 20. Jahrhundert
  • Herkunft: Privatbesitz, Oberweißenbrunn (Lkr. Rhön-Grabfeld)
  • Material: Holz, Eisen, Hanf; gesägt, gedreht, genagelt, gesteckt
  • Maße: 20 cm (Länge) x 12,5 cm (Breite) x 7,5 cm (Höhe)

Sommerzeit ist Beerenzeit: egal ob Johannisbeeren, Himbeeren, Erdbeeren oder Brombeeren, wir freuen uns über das reife süße Obst im eigenen Garten oder auf dem Feld. Wildfrüchte und Pilze ergänzten früher häufig den Speiseplan der ländlichen Bevölkerung. Zudem ließ sich mit dem Sammeln und dem Verkauf ein kleines Zubrot verdienen. Besonders eignete sich dafür die Heidelbeere. Relativ anspruchslos an Standortbedingungen, lässt sich die Pflanze in Mitteleuropa fast überall finden. In den Sommermonaten von Juli bis etwa Anfang September bildet sie schwarzblaue Beeren aus. Um daraus Marmelade oder Kompott für den Winter herzustellen, mussten entsprechend viele Früchte geerntet werden. Das Pflücken mit der Hand war mühsam und zeitaufwendig. Zur Vereinfachung der Ernte diente unser neues Objekt des Monats, ein Beerenkamm.

Der Beerenrechen ist schaufelartig aufgebaut. Der Korpus besteht aus Holz. An die Rückwand sind seitlich zwei nach vorne schräg spitz zulaufende Holzbrettchen angenagelt. Eine zwischen den Seiten angebrachte Leiste stabilisiert die Konstruktion. Von dort aus gehen nach vorne Nägel zum Abstreifen der Beeren ab. In engen Abständen sitzen zwischen Leiste und Rückwand dünne Eisendrähte, die die Früchte anschließend auffangen. Ein gedrechselter Handgriff wurde auf die Rückwand genagelt, vorne stützt ihn ein an der Querleiste befestigter Eisendraht. Auf einer Seite dient eine einfache Hanfschnur als notdürftige Reparatur.

Wann Beerenkämme erfunden wurden, ist nicht genau bestimmbar. Regionale Ausdrücke, wie „Raffel“ oder „Riffel“, lassen sich in der Bedeutung als Beerenrechen etymologisch ins 18. Jahrhundert datieren. Ihr Wortstamm „raffen“ geht gar bis ins 14. Jahrhundert zurück und meint so viel wie „rupfen“ oder „ernten“.

Im 19. Jahrhundert mehrten sich die Beschreibungen der Beerenernte und damit auch der Kämme. Sie finden sich vor allem in Büchern, Magazinen und Zeitschriften rund um die Lebensmittelherstellung oder Schnapsbrennerei. So sollen etwa im Zillertal um 1870 gute Beerensammlerinnen mithilfe der „Riffel“ von morgens um 4 bis nachmittags um 3 Uhr rund 40 Kilo Heidelbeeren geerntet haben. Dafür erhielten sie beim Verkauf an einen Branntweinbrenner einen österreichischen Gulden, was heute der Kaufkraft von etwa 15 Euro entspricht.

Der Beerenrechen beschleunigte das Sammeln bei geübtem Einsatz zwar enorm, doch blieben beim Abstreifen auch Blätter und Zweige der Pflanze im Kamm hängen. Diese mussten entweder vor Ort oder zu Hause in mühseliger Handarbeit aussortiert werden. Zugleich wurden so die Pflanzen beschädigt und geschwächt. In manchen Regionen verboten deshalb Forstordnungen den Einsatz der Kämme. Als Hilfsmittel können sie aber auch heute noch erworben und verwendet werden.

Zum Eigenbedarf dürfen in den Wäldern – mit Ausnahme von Naturschutzgebieten – Wildbeeren, Früchte, Pilze und Kräuter in kleinen Mengen geerntet werden. Wer nachhaltig seine Beeren in der Natur sammeln und im Anschluss genießen möchte, der verzichtet auf Beerenkämme.