Objekt des Monats Januar 2024
Fausthandschuhe aus Fladungen
- Inventarnummer: 25079, 25080
- Handschuhe, zweite Hälfte 20. Jahrhundert
- Herkunft: Privatbesitz, Fladungen (Lkr. Rhön-Grabfeld)
- Material: Wolle; gestrickt, genäht
- Maße: 25079: 22,5 cm (L) x 13 cm (B), Daumen 6 cm (L) x 4 cm (B); 25080: 26,5 cm (L) x 13 cm (B), Daumen 6,5 cm (L) x 4,2 cm (B)
Egal ob in der Freizeit, im Beruf oder beim Sport, Handschuhe schützen vor Verletzungen, Chemikalien, Hitze oder Kälte. Je nach Zweck unterscheiden sie sich in Form und Material – sie bestehen aus Wolle, Leder, Latex oder Kunstfasern. Fausthandschuhe gelten als sehr früher und einfacher Handschuhtyp. Schon vorgeschichtliche Höhlenmalereien zeigen sie. Besonders während der Wintermonate sind sie ein beliebtes Accessoire. Das verdeutlicht anschaulich unser Objekt des Monats Januar.
Die gestrickten Fäustlinge bestehen aus graugrüner Wolle. Lediglich für den Daumen ist ein separater Steg abgetrennt. Die Handfläche mit den übrigen vier Fingern steckt in einem gemeinsamen Raum. Die schlichte Form wird nur durch gerippte Bündchen aufgelockert.
Für mehr Tragekomfort sind Handschuhe eigentlich gegengleich, d.h. spiegelsymmetrisch gearbeitet. Bei einfachen gestrickten Fäustlingen ist die Form aber häufig identisch, so auch bei unserem Paar. Auf den ersten Blick scheint es sich um zwei rechte Handschuhe zu handeln. Der eine Handschuh fällt zudem etwas kleiner aus als sein Gegenstück.
Sofort ins Auge fallen die mehrfach und teils großflächig mit verschiedenfarbigen Garnen gestopften Handinnenseiten. Die deutlichen Gebrauchs- und Reparaturspuren unterstreichen die Bedeutung der Handschuhe für ihren einstigen Träger. Statt die stark geschädigten Textilien einfach wegzuwerfen, wurden sie mehrfach immer wieder gestopft, um auch vor der Kälte kommender Winter zu schützen. Kleidung war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig teuer, sie musste möglichst lange halten. Das Stopfen und Flicken waren einfache nachhaltige Methoden, um Textilien lange verwenden zu können, vor allem Alltagskleidung, wie Socken oder eben auch Handschuhe.
In Zeiten von "fast fashion" existiert ein riesiges scheinbar unerschöpfliches Angebot an günstigen Kleidungsstücken. Doch Ausbesserungsarbeiten sind aus der Mode gekommen. Selbst mehrfach geflickte Socken wurden früher nicht einfach weggeworfen: Sie wurden als Lumpen zum Putzen gebraucht. Diese Tatsache erklärt z.B. weshalb wenig Alltagskleidung in den Museumssammlungen überliefert ist und Festtagskleider dagegen sehr zahlreich. Heutzutage entsorgen wir regelmäßig kaum getragene Kleidungsstücke. 2020 produzierte jeder Deutsche im Durchschnitt 4,7 kg Textilabfälle – davon wurde nur ein halbes Kilo recycelt, während 1,2 kg in Müllverbrennungsanlagen und 2,7 kg auf Deponien landeten.
Für die Textilherstellung werden sehr große Mengen an Ressourcen verbraucht und kritische Chemikalien verwendet. Deshalb setzte mittlerweile ein Bewusstsein für nachhaltigen Modekonsum ein. Internetplattformen ermöglichen Second-Hand-Shopping; reuse und upcycling sind bei jungen Menschen ein angesagtes Thema. Viele Kleidungsstücke bekommen eine zweite Chance, so wie einst die „geliebten“ Fäustlinge aus der Textilsammlung des Fladunger Freilandmuseums.