Fränkisches Freilandmuseum Fladungen

mit dem Rhön-Zügle

Objekt des Monats September 2024

Kartoffeldämpfkolonne aus Platz bei Geroda

  • Inventarnummer: 12/04/1-3
  • Kartoffeldämpfkolonne „Herkules“
  • Herkunft: Platz, Markt Geroda (Landkreis Bad Kissingen)
  • Material: Metall, Holz, Gummi; gegossen, genietet, geschweißt, gelötet, geschraubt, verzinkt, lackiert
  • Maße: 400 cm (Länge) x 170 cm (Breite) x 640 cm (Höhe)

Vielseitige Kartoffeln: Im 16. Jahrhundert kam das Nachtschattengewächs aus Südamerika zunächst als exotische Zierpflanze an die Fürstenhöfe Europas. Mittlerweile gehören die wohlschmeckenden Knollen fest zu unserem Speiseplan. Einen ganz anderen Aspekt der Nutzpflanze verdeutlicht unser Objekt des Monats September: Eine Kartoffeldämpfkolonne, die zur Erntezeit der Zubereitung von Viehfutter für die Schweinemast diente.

Das Modell „Herkules“ des Herstellers Gotthard & Kühne aus Boxdorf bei Nürnberg besteht aus einem vierrädrigem eisenbereiften Spezialtransportwagen, der von einem Traktor oder Pferden gezogen wurde. Auf der hölzernen Ladefläche befindet sich die Ausstattung: Ein Dampferzeuger, Modell DQ 35, mit Armaturen und Sicherheitsvorrichtungen, drei Dampffässer für die Kartoffeln mit Dampfzuführung und Sicherheitsverschluss, ein gummibereifter Hubwagen zum einfachen Transport der Dampffässer oder des Dampferzeugers, zwei Verbindungsschläuche zum Anschluss der Fässer und last but not least eine Kartoffelwaschmaschine – Typ NW2.

Ein Maschinist befeuerte den Niederdruck-Dampfkessel mit Holz. Zwei Helfer wuschen parallel die Erdäpfel mit der zugehörigen Maschine und füllten sie dann in eines der bis zu 300 kg fassenden Dampffässer ein. Nach dem Verschließen startete der Garprozess: Der 110 bis 130 Grad heiße Dampf aus dem Erzeuger strömte für circa 25 bis 30 Minuten über die Knollen im Fass. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem Kochen im Schnellkochtopf. So konnten an einem Tag bis zu 180 Zentner verarbeitet werden.

Die fertig gegarten Kartoffeln wurden anschließend gestampft oder gequetscht und in Silos oder Gruben, sogenannten „Mieten“, eingelagert. Unter Luftausschluss fermentierten sie darin mit Milchsäurebakterien. Die „Sauerkartoffeln“ blieben deshalb über das Winterhalbjahr hinaus haltbar, wie Sauerkraut, das auf die gleiche Weise hergestellt wird.

Nach dem Ersten Weltkrieg nahm die Schweinehaltung allgemein zu. Das notwendige Viehfutter wurde selbst erzeugt. Kartoffeln ließen sich einfach anbauen, waren aber roh für das Borstenvieh nur schwer verdaulich und zugleich nicht lange lagerfähig. Deshalb kamen ab den 1920er Jahren spezielle Dämpfapparate auf den Markt, die bis in die 1980er Jahre in Verwendung waren.

1971 erwarb die Dämpfgemeinschaft Platz die Kolonne vom Landmaschinenhandel Erhard Zeier in Geroda, der Maschinen von Gotthard & Kühne vertrieb.
Das Unternehmen wurde 1919 in Lommatzsch in Sachsen gegründet und expandierte rasch zu einem führenden Produzenten von mobilen und stationären Dämpfanlagen.
Häufig wurden Dämpfkolonnen aufgrund der hohen Kosten und einer nur geringen Nutzungsdauer im Jahreslauf gemeinschaftlich angeschafft. In der Saison zog man von Hof zu Hof der Teilhaber und verarbeitete die Futterkartoffeln vor Ort. Auch Lohnunternehmer waren in diesem Bereich aktiv.

Seit 2004 ist der Kartoffeldämpfer Bestandteil der Sachgutsammlung des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen. Nach einer aufwendigen Restaurierung ist die kolossale Landmaschine mit ihrem alleine vier Meter hohen Schornstein wieder einsatzbereit.
Wer unseren Kraftprotz „Herkules“ in Aktion erleben möchte, hat heuer zweimal die Gelegenheit dazu: Am 22. September zum Aktionstag „Ran an die Kartoffel“ und zum großen HerbstFest „Museumsreif“ am 3. Oktober.